gelesen von: Anna (List; Taschenbuch; 8,99 Euro)
"Nur selten gestattete Vera sich einen Blick zurück. Heute, an ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag, erschien es ihr aber durchaus legitim, wenigstens kurz all derer zu gedenken, die sie nach und nach im Stich gelassen hatten. Von einigen Weggefährten hatte sie sich leichten Herzens getrennt, bei anderen war es ihr schwerer gefallen."
Inhalt:
Der Mord glich einer Hinrichtung. Wer ist in der Lage, einen 92-jährigen Mann mit einem Genickschuss zu töten? Und David Josua Goldberg muss den Täter gekannt haben, denn die Polizei findet keine Spuren eines Einbruchs - dafür eine rätselhafte Zahl an der Wand, ins Blut des Toten geschrieben. Das Ganze wird noch seltsamer: Bei der Obduktion entdeckt der Rechtsmediziner auf der Innenseite von Goldbergs linkem Oberarm Reste einer Blutgruppentätowierung, wie sie bei Angehörigen der SS üblich war. Bevor Hauptkommisar Oliver von Bodenstein und seine Kollegin Pia Kirchhoff ermitteln können, wird ihnen der Fall Goldberg von übergeordneter Stelle entzogen. Dann geschehen zwei weitere Morde: Hermann Schneider, dessen Keller mit Nazi-Devotionalien dekoriert ist, wird ebenso hingerichtet wie die 88-jährige Anita Frings, die der Mörder zuvor aus dem Seniorenstift entführt. Auffällig viele Spuren führen zur Familie der hochangesehenen Unternehmerwitwe Dr. Vera Kaltensee - und zurück in den Januar 1945 in Ostpreußen.
Meine Meinung:
Nele Neuhaus und ich... das war ohne Zweifel Liebe auf den ersten Blick. Und auch der zweite Blick in einen ihrer Krimis hat mich nicht im Geringsten enttäuscht, sondern mich noch mehr begeistert, als Schneewittchen muss sterben.
In Tiefe Wunden geht es bereits in den ersten Kapiteln mächtig zur Sache. Die beiden Ermittler Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff haben es mit drei grausigen Morden zu tun, die alle ihre Bekanntschaft mir einer reichen, angesehenen Witwe und einen Bezug zum Nationalsozialismus zu tun haben. Obwohl die Lösung der Mordfälle eigentlich von Anfang an auf der Hand liegt, schafft Nele Neuhaus es immer wieder, den Leser auf eine falsche Fährte zu locken und ihn am Ende zu überraschen. Eine Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren spielt in dem Buch eine wichtige Rolle, doch eine von Neuhaus' größten Stärken ist, dass ihre Romane nie unübersichtlich werden.
Als mir klar wurde, dass des Rätsels Lösung in einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte liegt, habe ich schon befürchtet, dass Tiefe Wunden eine weitere, öde, längst überholte Ermahnung zum Überdenken unserer Geschichte ist, doch das Thema Nationalsozialismus wirkt im Zusammenhang mit diesem Roman überhaupt nicht abgedroschen. Neben dem eigentlichen Fall, erfährt man wieder einiges über die beiden sympathischen Ermittler, die mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen sind. Nele Neuhaus' Krimis gehören einfach zu den besten und spannendsten, die ich jemals gelesen habe und sind jeden Cent und jede schlaflose Nacht wert!
Wertung:
***** von fünf Sternchen