gelesen von: Anna (Oetinger; festgebundenes Buch; 16,95 Euro; ausgeliehen)
"Heile, heile Segen, drei Tage Regen, drei Tage Sonnenschein, und alles wird vergessen sein."
Inhalt:
Abel Tannatek, der Außenseiter, der Schulschwänzer, der Drogendealer. Wider besseres Wissen verliebt Anna sich rettungslos in ihn. Denn da gibt es noch einen anderen Abel. Den sanften und traurigen Jungen, der für seine Schwester sorgt und der ein Märchen erzählt, das Anna nicht mehr loslässt. Doch die Grenzen zwischen Realität und Phantasie verschwimmen. Was, wenn das Märchen gar kein Märchen ist, sondern grausame Wirklichkeit? Was, wenn Annas Befürchtungen wahr werden? Was, wenn der, den sie liebt, zugleich ihr schlimmster Feind ist?
Meine Meinung:
Es gibt wohl kein deutsches Jugendbuch, das derzeit so kontrovers im Internet diskutiert wird, wie Der Märchenerzähler. Für die einen ist es eine Offenbarung, die anderen hassen es... und ich? Nun, ich kann mich nicht so richtig entscheiden.
Antonia Michaelis beschreibt mit Hilfe eines wunderschönen Schreibstils die Geschichte von Anna und Abel, die aus zwei völlig unterschiedlichen Welten kommen und sich verlieben. Anna verbringt schnell viel Zeit mit Abel und seiner kleinen Schwester Micha, auf die er seit dem Verschwinden ihrer Mutter aufpasst. Abel steckt voller Geheimnisse, die er, in ein Märchen verpackt, Anna zu offenbaren sucht. Diese wechselnden Handlungsstränge, die Realität und das Märchen der kleinen Klippenkönigin, machen das Lesen dieses Romans ziemlich spannend, weil man als Leser immer wieder die Zusammenhänge erkennen und interpretieren muss. Außerdem gelingt es der Autorin einige Male ihre Leser auf eine falsche Fährte zu locken und zu schocken, sodass man das Buch schnell nicht mehr aus der Hand legen kann.
Leider finde ich die Hauptfigur Anna nicht besonders sympathisch. Antonia Michaelis wollte wahrscheinlich eine träumerische, interessante, über ihren Altersgenossen stehende Figur erschaffen, aber stattdessen kommt mir Anna sehr naiv und teilweise auch dumm vor. Abels Charakter ist da schon viel vielschichtiger und interessanter und aus meiner Sicht ist er auch die eigentliche Hauptfigur des Buches. Seine Vergangenheit und Gegenwart wird von Themen geprägt, mit denen ich mich als 14jährige (Das Buch ist ab 14 empfohlen!) noch nicht hätte beschäftigen wollen, die Der Märchenerzähler allerdings zu einem Jugendbuch machen, das auch Erwachsene in seinen Bann zieht. Als Erwachsener fallen einem allerdings auch kleine Fehler und Ungereimtheiten im Handlungsverlauf auf: so scheint Antonia Michaelis gerade in der Mitte der Geschichte über einige Details zu hetzen, die dann plötzlich rückblickend erwähnt werden, in der eigentlichen Geschichte aber nicht vorkamen oder keine große Rolle gespielt haben. Alles in allem ist das Buch aber lesenswert und schon alleine deshalb ein gutes Buch, weil es einem auch nach der letzten Seite nicht aus dem Kopf geht und zum Nachdenken anregt.
Wertung:
***,5 von fünf Sternchen